Philippus-Kirche
Kurzer Abriss der Geschichte der Philippus-Kirche
Die Philippus-Kirche entstand als eine Tochter der Nathanael-Kirche. Sie wurde in der Zeit von 1959-1962 nach einem Entwurf von Hansrudolf Plarre gebaut. Bereits seit den 50 Jahren gab es eine Gemeinde, die sich zuerst in Privatwohnungen traf. So gab es bereits erste Veranstaltungen für Kinder und ältere Menschen. 1954 entstand eine Gemeindeschwesternstation in der Stierstraße 14/15. Auf dem Gelände der heutigen Philippus-Kirche gab es damals eine große Baulücke, denn die Gebäude auf diesem Grund waren im Krieg zerstört worden und sind nicht wieder aufgebaut worden. Auf diesem Gelände errichtete die Berliner Stadtmission ein großes Zelt, welches dann die ersten Impulse zur heutigen Form und dem Standort der Kirche gab.
1958 entschied sich der Gemeindekirchenrat dafür den Bau der Philippus-Kirche nach den Plänen Plarres zu beginnen. So konnte die Kirche am Johannistag, den 24. Juni 1962 geweiht werden. Nur wenige Tage später, am 1. Juli 1962 wurde das Gebiet der Nathanaelgemeinde geteilt. Fortan gab es zwei Kirchengemeinden, die eine individuelle Entwicklung genommen haben. Die neu entstandene Gemeinde hieß fortan nach dem Namenspatron Philipp Melanchthon, Philippus.
Im Jahr 2000 fusionierten Mutter- und Tochterkirche und bildeten die Evangelische Philippus-Nathanael-Kirchengemeinde.
Pfingsten 2010 geschah das Unerwartete: Die Philippus-Kirche wurde baupolizeilich gesperrt, weil das Dach einzustürzen drohte. Bereits 2012 konnte die Kirche wieder eingeweiht werden. Dies ist der Initiative von vielen Künstlern und Menschen, denen die Kirchengemeinde wichtig ist, zu verdanken.
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Architektur
Die Philippus-Kirche in Berlin-Friedenau ist eine von zwei Kirchen der Philippus-Nathanael-Kirchengemeinde, wobei die Nathanael-Kirche aus der Zeit des Historismus stammt und die Philippus-Kirche ein Bauwerk der Nachkriegsmoderne ist. Die Philippus-Kirche entstand 1959–62 nach Plänen des Berliner Architekten Hansrudolf Plarre, seinerzeit des zweiten Preisträgers beim Wettbewerb um den Neubau der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche.
Sie erhebt sich über einem sechseckigen Grundriss mit leicht ausgestellten Längswänden, der in kirchlicher Tradition nach Osten ausgerichtet ist. Von den zwei Stirnwänden ist jene zum Gemeindehaus klar verglast, die andere – östliche - Altarwand, von Florian Breuer großflächig in leuchtend blauen und grünen Farben gestaltet.
Wie in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche ist auch diese zu etwa 60% in Licht aufgelöste und durch die blau-grüne Farbglasfläche dynamisierte Stirnwand gleichsam „selbst- leuchtend“.
Der Raumeindruck der Philippus-Kirche wird also wesentlich von dieser Farbverglasung geprägt, die den um zwei Stufen erhöhten Altarraum hinterfängt. Der Altar ist flankiert von Kanzel und Taufbecken. Auch ein Detail wie die geschlossene, in der Mitte geknickte Bankreihe ist ohne Vergleich und nimmt die Besonderheit des Grundrisses auf. Bemerkenswert ist auch das Kreuz von Waldemar Otto, das anfangs recht kontrovers diskutiert wurde. Die Licht- und Schattenwirkung erinnert an Golgatha!
Das klarglasige Fenster auf der Westseite erhellt das als Begegnungsraum dienende Foyer.
An den Kirchenraum - mit der Schuke-Orgel auf der frei in den Raum gestellten Empore - schließen sich auf der Nordseite der Seminarraum und auf der Südseite eine Folge kleinerer Räume an.
Das an ein Zelt erinnernde Kirchengebäude fügt sich in die Formensprache nachkriegsmoderner Kirchen ein: „Zelt, Schiff und Wohnung“ ist der Titel einer Habilitationsschrift über Kirchenbauten der Nachkriegsmoderne (Kerstin Wittmann- Englert, 2006).
Und in der Beschreibung des wohl prägnantesten Beispiels eines bildhaften christlichen Kirchengebäudes, Le Corbusiers Wallfahrtskapelle Notre Dame du Haut (1950-55) im französischen Ponchamp, schreibt Anton Henze: „ Arche und Schiff, Zelt und Höhle sind Quartiere des Menschen auf der Wanderschaft und Zuflucht in unbehauster, ungewisser Zeit.“
Man versucht in der Nachkriegsmoderne, mit gestalthaften Formen Christen und deren Seinsform in einer säkularen, kulturell vielfältigen Zeit zu entsprechen. Und damit bedient man sich assoziativ erfassbarer Formen, wie auch bei der Philippus-Kirche - entworfen von einem Architekten, von dem in Berlin auch die Sühne-Christi-Kirche und die Gnade-Christi-Kirche stammen.
Die Raumform der Kirche (das Schutz und Obdach verheißende Zelt), die Lichtwirkung und der sie flankierende markante Glockenträger tragen gleichermaßen zu ihrer besonderen Atmosphäre und Wirkung bei.
Klaus Wittmann
(Dieser Artikel ist aus der Sonderausgabe des Gemeindeblattes zum 50. Kirchweihjubiläum 2012)
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Schuke-Orgel
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Kirchenrettung
Als nach dem vorletzten Winter das Dach der Philippus-Kirche, konstruiert wie das der Eiskunsthalle Bad Reichenhall, auf Schnee- und Eisschäden untersucht wurde und dabei schwerere Beschädigungen zutage traten, kam wie aus heiterem Himmel die Erkenntnis, dass es einsturzgefährdet war.
Und als die Kirche gerade zu Pfingsten 2010 baupolizeilich geschlossen wurde, als man die Kosten der Renovierung auf fast eine halbe Million Euro schätzte, als die Gemeinde beauftragt wurde festzustellen, was denn der Abriss kosten würde – da schien es schier unmöglich, dass die Philippus-Kirche würde bewahrt werden können, ungeachtet ihres architektonischen Rangs. In Gesprächen mit Kirchenkreis und Landeskirche wurde deutlich, dass in Berlin bei schwindenden Mitgliederzahlen auf Dauer nicht mehr alle
Auf einer Tagung der Evangelischen Akademie zu Berlin im September 2010 zum Thema „Wie viele Kirchen braucht die Stadt?“ sagte der Leiter des landeskirchlichen Bauamts: „Kirchengebäude sind an erster Stelle Werkzeuge des Glaubens und der Verkündigung, die es zu qualifizieren gilt. So, wie sich die Kirche selbst verändert und ihren Auftrag erneuert wahrnimmt, verändern sich der Bedarf und die Erwartung an ihre Häuser. Kulturbewahrung und Erhaltung materieller Werte sind zwar elementar; vor der fortwährenden Erneuerung der Kirche sind sie gleichwohl zweitrangig. Erfahrungen zeigen: Auch materielle Maßstäbe sind dem nachgeordnet. [Aber:] Wenn sich eine lebendige Gemeinde, deren Kirche gefährdet ist, aus innerer Überzeugung und begeisterungsfähig für den Fortbestand ihres Bauwerks einsetzt, entscheidet diese Kraft darüber, ob der Einsatz auch gegen den Anschein von Utopie gewonnen wird. Dabei ist es sekundär, ob es sich um ein Kulturdenkmal handelt. Wo es aber an innerer Kraft, an Gemeinde insgesamt oder ersatzweise an gesamtkirchlicher Perspektive mangelt, kommen weltliche Nutzungen in den Blick.“
Das hat die Gemeinde als Herausforderung angenommen und - zunächst ohne Unterstützung von Kirchenkreis oder Landeskirche - das Gemeindeleben auch ohne Kirchengebäude mit Dynamik weitergeführt.
Allein wer den lebendigen Open-air- Erntedankgottesdienst am 3. Oktober 2010 unter dem Motto „Gemeinde ohne Dach“ miterlebt hat, konnte nur sagen: „Einer so lebendigen Basis bedarf unsere Kirche.“
Es war eine lebensfähige Kerngemeinde mit solider finanzieller Basis, die Pfingsten 2010 von der Schließung ihrer Kirche betroffen wurde. Zunächst wurde die Situation mit Gelassenheit betrachtet. Man ging davon aus, dass das Dach aus Mitteln der Kirche saniert würde; es könnte lediglich ein paar Monate dauern, bis alle Beschlüsse gefasst seien, wie es in der Vergangenheit bei nicht abweisbarem finanziellem Bedarf stets der Fall gewesen war. Als aber deutlich wurde, dass dies nicht erwartet werden konnte, wurde die Gemeinde aktiv. Doch die erforderliche Geldsumme erschien zunächst nicht finanzierbar. Hauptamtliche und Gemeindekirchenrat (GKR) stellten fest, dass ein Drittel aus dem Kirchenvermögen der Gemeinde aufgebracht werden könne, die Einwilligung der Landeskirche (Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz/EKBO) vorausgesetzt. Ein weiteres Drittel wurde von Kirchenkreis und Landeskirche erhofft. So nahm sich die Gemeinde vor, das letzte Drittel in Form von Spenden und Zuschüssen durch Stiftungen einzuwerben.
Erforderten die ersten beiden Drittel das Einverständnis höherer kirchlicher Gremien, war auch beim letzten Drittel keinesfalls von Anfang an ausgemacht, dass das Ziel sich erreichen ließe. Die „Förderergemeinschaft Philippus e.V.“ hatte einen Jahresumsatz, der eine Sammeltätigkeit von etwa 80 Jahren erfordert hätte, um die erforderliche Summe einzunehmen. Sie zusammenzubringen erforderte also Überzeugung und Glauben, aber auch Initiative, Einfallsreichtum und Engagement.
Die Erfolgsformel hieß „Gemeindeaufbruch und Bürgerbewegung“. Denn nicht nur gab es Spenden, Aktionen und Einsatz von Gemeindemitgliedern, sondern es engagierten sich auch Friedenauer außerhalb der Gemeinde - wie z.B. der Goldschmied Christophorus Jahn, der zum Selbstkostenpreis das Logo der Rettungsaktion, die „Friedenauer Note“, als Silberminiaturen für den vielfachen Benefizverkauf fertigte. Ausgedacht vom PR-Unternehmer Arne Klein, gewann sie im „Kiez“ geradezu Kultstatus.
Eine spektakuläre Benefiz-Konzertreihe kam auf Initiative des Staatsopernsängers Hanno Müller-Brachmann und befreundeter Musikerkollegen zustande, unter anderem mit dem RIAS Kammerchor und dem Erlenbusch-Quartett (Michael Barenboim).
Diese etwa zwanzig hochkarätig besetzten Konzerte erregten in besonderem Maße die Aufmerksamkeit der Berliner Presse (sogar in die BZ-Rubrik „Berliner Helden“ schafften wir es), nicht zuletzt weil der stellvertretende Bezirksbürgermeister und Kulturstadtrat von Tempelhof-Schöneberg, Dieter Hapel, spontan die Schirmherrschaft übernommen hatte. Beindruckend war auch von Anfang an die Solidarität des Pfarrbezirks Nathanael und seiner Pfarrer. Und einer Gemeinde mit so sichtbarem Überlebenswillen konnten auch Kirchenkreis und Landeskirche ihre Unterstützung nicht versagen.
Die KiBa Stiftung für den Erhalt kirchlicher Baudenkmäler in Deutschland beteiligte sich, und die Stiftung Deutsche Klassenlotterie Berlin sagte eine stattliche Restbedarfsfinanzierung zu.
Eine besondere Aktion: Die Predigten des Philippus-Gemeindepfarrers Wolfgang Blech über die Vater-unser-Bitten und die Zehn Gebote wurden von der Förderergemeinschaft Philippus als Taschenbuch herausgegeben, und auch hier kam der Reinerlös dem Rettungswerk zugute. Aber die Veröffentlichung (Prof. Dr. Gerhard Lohfink:„Wenn doch nur überall so sorgfältig und theologisch gut gepredigt würde!“) zeigt auch, dass es bei der Rettungsaktion um mehr ging als ein Kirchengebäude.
Dankbar für Gottes Hilfe und für alle erfahrene Unterstützung ziehen wir am 24. Juni 2012, dem 50jährigen Kirchweihfest, wieder in unsere Kirche ein, eingedenk der Kernaussage unsere Leitbildes: der zentralen Aussage: „Wir wollen eine vom lebendigen Glauben an Jesus Christus geprägte, für alle offene große Familie sein.“
Klaus Wittmann
(Dieser Artikel ist aus der Sonderausgabe des Gemeindeblattes zum 50. Kirchweihjubiläum 2012)